Die Bundesregierung hat zwar ein Transparenzgesetz versprochen, aber einen Entwurf gibt es noch nicht.
Deswegen legen wir jetzt selbst einen vor.
Die Kernpunkte in Kürze
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Aktive Informationspflicht
Die Behörden müssen bestimmte Informationen, etwa Verträge der öffentlichen Hand jenseits einer Summe von 100.000 EUR, Gutachten und Studien sowie Subventionszahlungen, online veröffentlichen.
Aktive Informationspflicht
Für Bürgerinnen und Bürger ist es oft schwierig, ihre Informationsansprüche gegenüber einer Behörde durchzusetzen: Oft werden Anträge an die falsche Stelle gerichtet, lange Fristen und Gebühren sind abschreckend. Deshalb bedarf es eines Paradigmenwechsels: Die Freigabe von Informationen auf Antrag wird durch eine automatische Veröffentlichungspflicht ergänzt. So werden öffentliche Stellen verpflichtet, bestimmte, im Gesetz benannte Informationen von öffentlichem Interesse auch ohne Antrag von sich aus online zu stellen. Diese Maßnahme erleichtert nicht nur den Informationszugang, sie wird auch einen wesentlichen Innovationsschub hin zu einer digitalen Verwaltung bringen. Zu den veröffentlichungspflichtigen Informationen zählen neben Gesetzen, Rechtsverordnungen und Richtlinien auch Gutachten, Studien, Informationen über Subventionen sowie Verträge informationspflichtiger Stellen jenseits einer Relevanzschwelle von 100.000 EUR. Auch die wesentlichen Daten von Unternehmen, an denen der Bund oder informationspflichtige Stellen beteiligt sind, müssen veröffentlich werden, einschließlich der Vergütung der Leitungsebene.
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Bürger*innenfreundlichkeit
Die Verfahrensregeln werden so gestaltet, dass alle das Gesetz nutzen können. Deshalb sind Informationen, für die ein Antrag gestellt werden muss, gebührenfrei herauszugeben, bei einer Antwortfrist von 15 Werktagen. Der Zugang zu den Online-Informationen ist barrierefrei zu gestalten.
Bürger*innenfreundlichkeit
Damit die Freigabe von Informationen auf Antrag auch von möglichst vielen Menschen in Anspruch genommen wer- den kann, sieht der Gesetzentwurf eine Kostenfreiheit vor. Bisher können nach dem IFG des Bundes sowohl Gebühren für die Bearbeitung erhoben werden als auch Auslagen für Kopien. Diese Praxis wirkt oft abschreckend, zumal Bürgerinnen und Bürger für öffentliche Leistungen ja schon durch ihre Steuern bezahlen. Auch der Evaluationsbericht hatte schon vor zehn Jahren festgestellt: „Ausgehend vom Ziel des IFG, die demokratischen Beteiligungsrechte der Bürgerinnen und Bürger zu stärken, erscheinen Gebühren grundsätzlich nicht zur Steigerung der Partizipation zielführend“ und eine völlige Kostenfreiheit ins Spiel gebracht. Neben den Kosten können auch lange Bearbeitungszeiten dazu führen, dass Anträge ins Leere laufen. Während das bisherige IFG des Bundes eine „Soll“-Bestimmung für eine Monatsfrist enthält, die bei Anträgen mit Anhörung betroffener Dritter auf zwei Monate verlängert werden kann, orientiert sich der Entwurf an dem Zugang zu Dokumenten der Europäischen Union. Dort sind schon seit vielen Jahren 15 Arbeitstage vorgesehen. Bei außergewöhnlich hohem Verwaltungsaufwand kann die Bearbeitungszeit auf 30 Werktage verlängert werden. Müssen Dritte, die von einem Informationsgesuch betroffen sind, angehört werden, z. B. um zu klären, ob sie mit der Freigabe von personenbezogenen Informationen einverstanden sind, verlängert sich die Regelantwortfrist um zehn Tage. Die in Ausnahmefällen zulässige Frist beläuft sich somit auf maximal 40 Arbeitstage. Weitere Verlängerungen sind nur mit Zustimmung der Antragstellerinnen und Antragsteller möglich. Fehlt diese, können sie mit Ablauf der Frist Untätigkeitsklage erheben. Mit diesem abgestuften Verfahren wird erreicht, dass im Regelfall schnell eine Antwort erteilt wird, in begründeten Ausnahmefällen aber auch umfangreiche Anträge mit längerer Frist angemessen bearbeitet werden können.
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Weiter Anwendungsbereich
Nicht nur die Verwaltung, auch bestimmte Unternehmen fallen unter das Gesetz. Viele Aufgaben des Staates werden an privatrechtliche Unternehmen ausgelagert. Diese sind bisher nicht immer umfasst und werden durch den Gesetzentwurf transparent.
Weiter Anwendungsbereich
Der Entwurf ist auf einen möglichst umfassenden Zugang zu Informationen angelegt. Dazu werden der Bestand an zugänglichen Informationen sowie der Kreis der informationsverpflichteten Stellen weit, die erforderlichen Ausnah- men vom Recht auf Informationszugang eng gefasst. Nicht nur öffentliche Stellen fallen unter den Anspruch, sondern auch Firmen, die öffentliche Dienstleistungen erbringen, insbesondere solche der Daseinsvorsorge, und dabei der Kontrolle des Bundes unterliegen. Dies betrifft z.B. Bereiche wie die Müllabfuhr, Wasserversorgung oder auch die Energieversorgung. Die informationspflichtigen Stellen müssen Vorgänge so verakten, dass alle Informationen, die nach diesem Gesetz transparent werden müssen, zugänglich sind.
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Vereinfachung der Gesetzeslage
Bisher werden Informationsansprüche nach Umweltinformationsgesetz und Informationsfreiheitsgesetz z. T. sehr verschieden geregelt. Der Gesetzesvorschlag führt beide Gesetze zusammen.
Vereinfachung der Gesetzeslage
Bisher ist es für Antragstellerinnen und Antragsteller mitunter schwer zu durchschauen, ob sie sich bei Anliegen gegenüber Stellen des Bundes auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) oder auf das Umweltinformationsgesetz (UIG) berufen sollen. Das UIG beruht auf der Umweltinformationsrichtlinie der EU, bietet sich also auch im internationalen Kontext als Minimalstandard an. Es ist bei vielen Regelungen weitreichender als das IFG, was leicht zur Verwirrung führen kann und wegen der Rechtszersplitterung auch die Entwicklung einer echten Transparenzkultur behindert. Der Vorschlag führt beide Gesetze in einem fortschrittlichen Transparenzgesetz zusammen und entwickelt die Ansätze des UIG weiter. Die Zusammenlegung folgt dem Beispiel einiger Bundesländer. So haben auch Schleswig-Holstein, Berlin und Rheinland-Pfalz die Gesetze bereits integriert und so für eine Vereinfachung gesorgt.
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Ausnahmen eng gefasst
Natürlich sieht das Gesetz Ausnahmen vom Grundsatz der Transparenz vor, etwa zum Schutz von personenbezogenen Daten oder zur Wahrung von Betriebs- und Geschäftsheimnissen. Diese Ausnahmen werden eng gefasst, um einer missbräuchlichen Informationsblockade vorzubeugen.
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Abwägungsklausel
Ausnahmen vom Grundsatz der Transparenz dürfen nicht greifen, wenn das öffentliche Interesse an der Information schwerer wiegt als mögliche Geheimhaltungsgründe.
Abwägungsklausel
Alle Einschränkungen des Gesetzes, etwa zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen privater Firmen oder zum Schutz personenbezogener Daten, sind keine absoluten Ablehnungsgründe, sondern sie sind im Einzelfall abzuwägen mit dem öffentlichen Interesse an der beantragten Information. Mit diesem Rechtsprinzip, international bekannt als public interest test, wird eine besondere Rückschrittlichkeit des IFG behoben, die auch im Evaluationsbericht kritisch angemerkt worden ist.
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Vorrang für Information
Spezialregelungen nach anderen Gesetzen gehen nur dann vor, wenn sie weiterreichende Rechte für die Antragsstellendenzeinräumen. Das Transparenzgesetz definiert einen Mindeststandard.
Vorrang für Information
Bisher gehen spezialgesetzliche Regelungen dem IFG vor. Verfügen Bundesbehörden z.B. über Informationen über einen Gammelfleisch-Skandal, greifen für Informationsanträge die eher restriktiven Regelungen des Verbraucherinformationsgesetzes. Der Gesetzesvorschlag definiert nun einen neuen Minimalstandard an Transparenz, der durch spezialgesetzliche Regelungen nicht mehr unterschritten werden darf. Die speziellen Bundesgesetze gehen nur noch dann vor, wenn sie weiterreichende Transparenzregelungen vorsehen als dieser Gesetzesvorschlag.
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Rechtsschutz
Wer mit der Reaktion der öffentlichen Stelle nicht zufrieden ist, kann wählen, ob er oder sie zunächst Widerspruch erheben oder sofort dagegen klagen möchte. So wird bei strittigen Fällen der Entscheidungsweg verkürzt. Bei Streitigkeiten über Geheimhaltungspflichten kann das Gericht schon im Hauptsachverfahren überprüfen, ob die angeführten Gründe zutreffen. Nach bisherigem Recht passiert dies in einem gesonderten Verfahren, was zusätzliche Zeit kostet.
Rechtsschutz
Nach dem heutigen IFG des Bundes müssen Antragstellerinnen und Antragsteller, die mit der Reaktion einer öffentlichen Stelle nicht zufrieden sind, zunächst ein Widerspruchsverfahren durchlaufen. Danach können sie gegen die Behördenentscheidung klagen. Da im Widerspruchsverfahren die gleiche Behörde den Sachverhalt erneut prüft, kommt es gerade bei von vornherein strittigen Fällen im ersten Schritt nicht zu Klärung, sondern nur zur eigentlich unnötigen Verlängerung des Verfahrens. Deshalb räumt der Gesetzesvorschlag den Antragstellenden eine Wahlmöglichkeit ein, ob sie das Widerspruchsverfahren bevorzugen oder ob sie gleich klagen wollen, weil sie sich von der erneuten Prüfung durch die gleiche Behörde kein besseres Ergebnis versprechen. Zudem ist es den Antragsstellenden möglich, direkt nach Verstreichen der Frist Untätigkeitsklage gegen die zuständige Stelle einzulegen. Ebenfalls der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung dient die Möglichkeit, dass das Gericht, das im Hauptsacheverfahren entscheidet, auch das Recht erhält, im Falle von Geheimhaltungsgründen anhand der strittigen Dokumente zu prüfen, ob die Verweigerungsgründe gerechtfertigt sind. Nach bisheriger Rechtslage geschieht diese Prüfung in einem separaten sogenannten „In-Camera-Verfahren“, was den Verfahrenslauf verlängert.
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Ombudsrolle
Der oder die Bundesbeauftragte für die Informationsfreiheit kann in Konfliktfällen zur kostenlosen Vermittlung angerufen werden. Während der Prüfung ruhen die Widerspruchs- und Klagefristen, die Antragstellende normalerweise zu beachten haben, bis das Prüfergebnis vorliegt.
Ombudsrolle
Wie beim bestehenden IFG kommt der Stelle des oder der Informationsfreiheitsbeauftragten eine Beratungs- und im Konfliktfall eine wichtige Vermittlungsfunktion zu. Für Antragstellerinnen und Antragsteller besteht jedoch oft das Verfahrensproblem, dass noch während einer laufenden Prüfung durch die Ombudsstelle die Widerspruchs- und Klagefrist ablaufen, die Rückmeldung des Informationsfreiheitsbeauftragten somit entweder nicht abgewartet werden kann oder die Frist für Rechtsmittel verstreicht. Deshalb sieht die neue Regelung vor, dass der Fristlauf unterbrochen wird, solange sich der Sachverhalt bei der Ombudsstelle noch in der Prüfung befindet. Der oder die Ombudsperson kann zudem nach Feststellung von Mängeln bei der Transparenz einer informationspflichtigen Stelle die Herausgabe der Informationen anordnen.
Anlass für den Gesetzesvorschlag
Die Regierungsparteien haben in ihrem Koalitionsvertrag vom November 2021 unter anderem folgendes Reformprojekt angekündigt:
„Wir wollen durch mehr Transparenz unsere Demokratie stärken. Uns leiten die Prinzipien offenen Regierungshandelns – Transparenz, Partizipation und Zusammenarbeit. […] Die Informationsfreiheitsgesetze werden wir zu einem Bundestransparenzgesetz weiterentwickeln.“
Seitdem bestimmen die aktuellen Krisen den öffentlichen Diskurs, während von diesem Projekt nichts mehr zu hören ist. Gerade in Zeiten, in denen den Bürgerinnen und Bürgern viel an Einschränkung abverlangt wird, sei es durch Gesundheitsmaßnahmen oder auch durch Verteuerungen, ist es besonders wichtig, dass staatliche Maßnahmen durch Transparenz an Akzeptanz gewinnen. Ein starker Staat, wie er in diesen Zeiten oft betont wird, lebt von der Stärkung der demokratischen Mitwirkung, für die der Zugang zu den Informationen öffentlicher Stellen eine Grundvoraussetzung ist.
Notwendigkeit einer umfassenden Gesetzesreform
Das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) des Bundes ist 2006 in Kraft getreten, vor nunmehr 16 Jahren. Es war schon damals erkennbar ein Kompromissgesetz, das im parlamentarischen Beratungsprozess den Bedenken zahlreicher Skeptiker der Transparenz in Politik und Verwaltung Rechnung tragen sollte. Nicht nur deshalb ist es in vielen Punkten nicht mehr zeitgemäß. So hat auch die umfassende offizielle Evaluierung, die 2012 im Auftrag des Innenausschusses vorgenommen wurde, schon vor zehn Jahren erheblichen Reformbedarf festgestellt:
- Ausschlussgründe seien unsystematisch und z. T. überflüssig geregelt,
- es fehle an einer generellen Abwägungsklausel mit dem öffentlichen Interesse, die international schon damals Standard war,
- die gesetzlich vorgesehenen Fristen würden in jedem dritten Fall nicht eingehalten wurden
- die aktive Veröffentlichungspraxis sei unterentwickelt
- u.v.m.
Zudem regte der Evaluierungsbericht an, eine generelle Kostenfreiheit zu erwägen. Eine Zusammenführung mit dem Umweltinformationsgesetz, um die Gesetzeslage zu vereinheitlichen, bezeichnete die Auswertung als grundsätzlich möglich.
Alle Anregungen sind zehn Jahre lang ohne Folgen geblieben. Gleichzeitig hat sich das Informationsrecht rasant weiterentwickelt: So hat Hamburg 2012 das erste landesweite Transparenzgesetz mit weitreichenden automatischen Veröffentlichungspflichten eingeführt, mit bis heute großer Nachfrage durch Bürgerinnen und Bürger sowie keinen spürbaren Nachteilen für die Verwaltung. Auch Rheinland-Pfalz, Thüringen und Sachsen haben mittlerweile eigene Transparenzgesetze erlassen, wenn auch mit unterschiedlich weitreichenden Regelungen.
Warum eine Initiative aus der Zivilgesellschaft?
Das derzeitige Bundesgesetz hinkt mit seinen Regelungen nicht nur im internationalen Vergleich, sondern auch im Vergleich mit einigen der deutschen Bundesländer hinterher, was durch diesen zivilgesellschaftlichen Entwurf behoben werden soll. Der Umstand, dass ein Gesetzesvorschlag aus der Mitte der Gesellschaft kommt, ist dabei kein Zufall: Transparenzgesetze, die von der Ministerialbürokratie erarbeitet werden, entstehen bei den Stellen, die sich selbst mehr Offenheit verordnen müssten. Es ist deshalb ein demokratiepolitisch notwendiges Korrektiv, wenn an dieser Stelle Impulse von denen kommen, die letztlich für die Adressaten der Transparenz sprechen, nämlich die interessierte Öffentlichkeit.
Das Bündnis
Pressekontakt
Arne Semsrott
Projektleiter FragDenStaat
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